Antiatlas
Als ich am Abend etwas fertig und müde in den Spiegel sehe, grinst mich der Typ an. „Du hast doch nen Knall“ sage ich nur und im Spiegel grinst jemand zurück, ganz breit, reichlich frech und streckt g a n z langsam den Daumen nach oben. Unglaublich, der Kerl …
Was war heute los und warum habe ich nen Knall? Es gibt ziemlich viel zu erzählen, weil ich etwas erlebt habe, was man nicht jeden Tag erlebt.
Ich buche eigentlich am Abend vorher das Hotel für den nächsten Tag vor. So erspare ich mir die ätzende Sucherei nach einer Unterkunft am Abend. Eigentlich hatte ich ein Wüstencamp bei Icht schon ein paar Tage vorher ins Auge gefasst, nur war das jetzt ausgebucht. Merde. Also bin ich auf die glorreiche Idee gekommen bis nach Sidi Ifni zu fahren. Die innere Stimme meinte nur, sehr sehr ambitioniert junger Mann, Respekt! Das geht schon habe ich mir gesagt, wird zwar etwas stressig, dafür kann ich abends am Meer ein kühles Bier trinken. Also noch ein Ferienhaus in Sidi Ifni gebucht und es konnte losgehen.
Früh am Morgen aus dem Hotel in Ouarzazate ausgecheckt und meiner Meinung nach sollte die Distanz bis zum Ziel kein unlösbares Problem darstellen. Es gäbe zwei Möglichkeiten bis zum Ziel zu kommen. Die nördliche Variante via Taroudannt und Agadir, die ich aber schon kenne. Dann wird die südliche Variante genommen, d.h. über den Antiatlas, etwas Sahara und dann rüber zum Atlantik … geil, geil da freue ich mich drauf.
Die Yamaha ist vollgetankt und es kann losgehen! Übrigens wenn man hier einem Tankwart sagt, Volltanken, dann tankt der auch voll. Die entdecken Bereiche im Tank von denen ich bis dato noch keine Ahnung hatte. Kurz nach Ouarzazate ist wieder nur Landschaft, hinter den Bergen geht langsam die Sonne auf. Was ein morgendliches Farbenspiel in dieser Umgebung. Immer mal kurz anhalten und Fotos machen ist kein Problem, da man eventuellen Verkehr schon am Horizont erkennen kann. Aber meistens ist am Horizont nix
In Tazenakht teilt sich die Straße, links geht es via Route National 12 in Richtung Taroudannt und Agadir. Da will ich nicht hin und nehme dagegen die R111 nach Foum-Zguid, in der Michelin Karte allerdings nur noch weiß eingezeichnet, dafür grün gekennzeichnet. Soll also schön sein. Kurz darauf passiere ich nach dem Tizi-n-Bachkoum (1700m) schon den zweiten Pass den Tizi-n-Taguergoust (1640m) am frühen Morgen. Über eine steile, aber wenig kurvenreiche Abfahrt komme ich ins Tal des Oued Zguid. Man sollte sich so einen Fluss im Antiatlas nicht mit europäischen Maßstäben vergleichen. Fluss (oder Oued) ist hier kein Fluss mit Wasser, sondern meistens ausgetrocknet. Bis zu dem Tag wo es regnet. Das Flusstal ist ca. 2-3 Kilometer breit und eine einzige Steinwüste. Lediglich die schmale löchrige Straße führt durch das Tal. Irgendwo war dann auch der Abzweig, den ich hätte nehmen solle. Das Unheil nahm seinen Lauf!
Munter und vergnügt bin ich weitergefahren und habe mich über die Landschaft gefreut. Irgendwann kam noch ein Abzweig nach Agdz, wo ich natürlich nicht hin wollte, falsche Richtung. Durch ein sehr enges Tal ging es bergauf und meistens war keine asphaltierte Straße mehr da. Der parallel verlaufende kleine Fluss hatte beim letzten Hochwasser ganze Arbeit geleistet. Teilweise bin ich im Schneckentempo durch die Geröllfelder gefahren und habe schon die Stirn etwas gerunzelt. Geht das schon wieder los? Ein paar Kilometer erreiche ich ein Hochtal und die Straße ist wieder picobello.
Dieses Hochtal ist etwas, was sich mir bis heute tief eingeprägt hat und immer noch fasziniert. Eine Landschaft, die man mit Worten kaum beschreiben kann. Absolut karg, Felsen in den verschiedensten Farben und Formen. Das breite Tal wird rechts und links von hohen Bergen (ca. 2000m hoch) eingefasst, unglaublich schön. Dann waren da noch zwei Kupferminen, wo der Boden grünlich vom Kupferoxid schimmerte. Auf der Hälfte des Weges dann eine Oase, mit etwas Wasser und einigen Palmen, was ein Kontrast zu der Einöde. Wie gesagt, mit Worten kaum zu beschreiben, beim Schreiben dieser Zeilen läuft es mir wieder kalt den Buckel runter.
Irgendwann kam mir aber die Sache nicht mehr geheuer vor. Eigentlich müsste ich doch bald in Foum Zguid sein, stattdessen kam das Ortschild von Bleida in Sicht und auch das Ende der geteerten Straße. What a Fuck … Ab hier gibt es nur noch Piste, so die Auskunft eines Einheimischen. Und nu ? Alles wieder zurück!
Also im Schweinsgalopp den ganzen Weg zurück, den engen Canyon mit der rudimentären Straße und auf einmal sehe ich was ich vorhin nicht gesehen habe. Der Wegweiser nach Foum Zguid war beim letzten Hochwasser weggerissen worden und lag nun ein gutes Stück flach neben der Straße. Und von wegen Straße nach Foum Zguid, eine absolute Rumpelpiste deren Verlauf an den Staubfahnen der vorausfahrenden Fahrzeuge zu sehen war. Echt Klasse habe ich mir gedacht, dass kann ja heiter werden. Und es wurde sehr heiter!
Es war abwechselnd Piste mit Geröll, Passagen mit Sand waren auch dabei, einige Wasserdurchfahrten mit Schlammanteil und dann noch Wellblechpiste. Da hat der Fluss echt ganze Arbeit geleistet. Marokko hat ja schon nicht die beste Infrastruktur in den Bergen, aber was hier zerstört wurde ist wohl auf Jahre weg. Ich habe für die 30 Kilometer bald eine Stunde gebraucht. Es gibt auch keine erkennbaren Maßnahmen um die Infrastruktur wiederherzustellen. Lediglich die gröbsten Hindernisse werde provisorisch geflickt bzw. passierbar gemacht. Kurz vor Foum Zguid kommt man aus den Bergen und die Landschaft wird topfeben. Die Straße ist wieder normal befahrbar und ich schnaufe einmal tief durch. Das hat alles ganz schön Zeit gekostet und die Zeit muss wieder rausgefahren werden. Also noch in Foum Zguid vollgetankt und weiter geht es nach Tata. Es gibt zwar nur eine Straße, aber sicherheitshalber hab ich nochmal nachgefragt ob das jetzt richtig wäre.
Südlich des Antiatlas ist mehr oder weniger schon Sahara. Es wächst eigentlich nix mehr, nur ab und zu ein paar Dornenbüsche. Ich passiere einige kleine Ortschaften, aber wirklich was los ist hier nicht mehr. In der Ferne sieht man ab und zu Zelte der Nomaden, wobei ich mich frage von was man hier lebt und wie? Die Leute haben keinen Baumarkt, Media Markt oder sonst was, wie soll das funzen? Kamele stehen ab und zu neben der Straße und fressen wahrscheinlich die allgegenwärtigen Steine. Natürlich Quatsch, wenn Kamele Steine fressen würden, wären sie rund und fett. Die sind aber eher spindeldürr. Wem die Viecher gehören? Keine Ahnung, da sie weder Halsband noch ein Nummernschild haben.
Die Landschaft wechselt immer mal wieder zwischen Steinwüste, dann kommt ein Stück Sandwüste mit recht hohen Dünen, dann kommt wieder Steinwüste, dann kommt …. Tata – Hauptstadt im Nix. Aber immerhin gibt es hier Benzin und das wird gerne von mir bzw der Yamaha genommen. Die forcierte Fahrt fordert ihren Tribut in Form von erhöhtem Verbrauch. Frech wie sie ist zwängt sich ne alte Berberin mit ihrem Mofa zwischen mich und der Zapfsäule und deutete mit ihrem Finger auf den Tank. So viel Frechheit muss belohnt werden und ich hab ihr drei Liter abgegeben (mehr ging nicht in die alte Kiste). Sachen gibt’s.
Und wenn ich mich wiederhole, was für eine Landschaft. Da bin ich sicher nicht das letzte Mal gewesen. Das absolute nichts, alle 40-50 Kilometer ein paar Häuser, dann wieder nix. Die Menschen hier haben eine deutlich dunklere Hautfarbe als wie nördlich der Berge. Afrika ick hör dir trapsen. Wenn ich irgendwo links abbiegen würde, wäre ich spätestens nach 30 oder 40 Kilometern in Algerien. Das lasse ich aber schön bleiben, weil Marokko und Algerien sich nicht so ganz grün sind. Außerdem will ich ja nach Sidi Ifni ans Meer. Und das ist noch ne ganze Ecke zu fahren. Google spricht von drei Stunden Restfahrzeit und ich muss mal kurz schlucken. Jetzt holt mich mein Umweg vom Morgen ein, die Zeit fehlt jetzt und zwar gewaltig.
Also fahre ich mit leicht überhöhter Geschwindigkeit durch die Prärie und denke mir es wird schon keine Kontrolle hier geben. Gibt es aber doch! Keine Radarkontrolle, sondern der übliche Polizeiposten, wie es sie überall im ganzen Land gibt. Zwei junge Typen, anscheinend ist der Akku vom Smartphone leer, langweilen sich und wollen meinen Pass sehen. Wo gibt es denn sowas. Woher, wohin, Name des Hotels gestern und heute Abend. Dazu kann der Kerl nicht gut Französisch und versteht mich nicht richtig. Die Krönung war dann, als er auf meine Frage, wann die nächste Tankstelle kommt, mit „bald“ antwortete. Blödmannsgehilfe.
Kurz vor Guelmim sah ich dann das ersehnte Schild und fahre an die erste Zapfsäule mit Super. Super denke ich mir, als der Tankwart erklärt, sie hätten kein Benzin mehr. Diesel wäre aber noch genug da. Der hat wohl meinen stechenden, fast tötenden Blick bemerkt und erklärt mir scheissfreundlich, dass der Kollege in etwa 5 Kilometer Entfernung Benzin hätte. Glück gehabt.
Und Glück hatte ich auch mit meiner Unterkunft. Patrick, der Eigentümer des Hauses hat mich in Sidi Ifni abgefangen und mich den Rest des Weges geführt. Mit dem Velo fuhr er durch kleine Gassen und kurz darauf war das Ziel erreicht. Alleine hätte ich das niemals gefunden. Das Haus (dazu später mehr) war echt die Belohnung für die Mörder-Etappe des heutigen Tages. Die Yamaha war ruckzuck abgeladen und eine heiße Dusche hat die Lebensgeister wieder geweckt. Und dann war ja noch der Blick in den Spiegel.
Der Typ hat doch echt nen Knall.