Vercors

vercors

Ich war da zum ersten Mal Mitte der 80er Jahre da, also voriges Jahrtausend. Bin ja auch schon ganz schön alt. Total geflasht war ich damals von dieser Gegend und bin es immer noch. Manches hat sich verändert, die Strassen wurden deutlich besser und sicherer. Aber der Charme der Region ist immer noch da und ich liebe es dort zu sein.

Eigentlich wollte ich in Die (kein Schreibfehler, der Ort heisst so) bleiben, da es dort deutlich wärmer ist als oben auf dem Plateau. Alles ausgebucht und der Col de Rousset „muss“ gefahren werden. Draussen sitzen und einen Ricard vor dem Abendessen nehmen, das wird wohl nix.

Der Col de Rousset ist 20 Kilometer lang und ein kleines Sahneschnittchen, ein Einstieg ins Vercors, der süchtig machen kann. Die einheimischen Motords legen ein Tempo vor, keine Chance und Lust, da fehlt mir unter anderem die Streckenkenntnis. Aber ich genieß auf meine Art und Weise, komme ohne Kratzer oben an und Grüsse mit einem freundlichen „Bonjour“ die Kolleginnen und Kollegen. Es werden immer mehr als Mädels – freut mich ungemein. Und es steht nur ein Schweineeimer (GS) auf der Passhöhe. Welch eine Vielfalt an verschiedenen Motos, unglaublich.

Die heutige Nacht verbringe ich in La-Chapelle-en-Vercors. Recht früh bin ich dran und kein Mensch ist an der Rezeption da, keine Seele zu sehen. Sich da hinsetzten und warten bis jemand kommt, ist sicher die schlechte Lösung in der Gegend

Die Grands Goulets wären in der Nähe, grübel, grübel, neee ich fahr mal lieber rüber zur Combe Laval

Wie also auf den Fotos zu sehen, schon etwas spektakulär, Es gibt wenige Strecken, wo man solche Fotos machen kann. Arbeitskollegen, die meine Reisen immer verfolgen und kommentieren, meinen nur … Hammer. Es ist schon was besonders dort zu sein, sieht man nicht alle Tage

Das Hotel du Sports hatte dann seine Pforten geöffnet und ich konnte einchecken. Ist für eine Nacht vollkommen ok und sehr einladend. Mit dem Besitzer ins Plaudern gekommen, wo ich herkomme und wohin ich will. Der allabendliche freundliche Smalltalk, wie es halt so üblich ist. Gehört einfach dazu, allemal besser wie die anonymen Kettenhotels mit Automaten Check-in.

Den Tisch fürs Abendessen hatte ich gleich vorbestellt, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass viel los ist. Pustekuchen . da war schwer was los. Leider bekam ich einen Platz direkt neben der Tür. Katzentisch, dass Los des alleine reisenden Singles. Eine handgeschriebene Menukarte mit den Leckereien de Tages wurde auf dem Tisch abgestellt, also keine ewige Litanei was man es essen könnte, sondern was frisch im Angebot ist. Da macht schon mal Eindruck auf mich, dann geht die Tür zur Küche auf und ein Kopf lugt heraus. Der Maître de Cuisine himself kommt zu mir an den Tisch und fragt im besten Elsässisch, ob ich die Speisekarte lesen könnte.

Der Patron hat sich gemerkt, dass ich bin kein Muttersprachler bin und wollte mir was Gutes tun. Merci beaucoup, Monsieur! Das gibt natürlich wieder 100 Punkte für den Service.

Der letzte Tag

Die geniale Zeit neigt sich leider dem Ende entgegen, das Profil des hinteren Reifens ebenso. Also den Badge schon mal oben in die Jacketasche gesteckt, so muss ich das Ding nachher nicht suchen. Diese vielen Taschen an Jacke und Hose, eine Herausforderung auch an die Jüngeren unter uns.

Noch bin ich ja im Vercors und La-Chapelle- en-Vercors liegt um die 1000 m hoch. Wieso ich unten im Tal übernachten wollte? Weil es dort wärmer ist! Das Thermometer der Yamaha pendelt zwischen zwei und drei Grad (Plus) und ich pendel zwischen dicken Winterhandschuhen und den Normalen. In den Winterhandschuhen hab ich weniger Gefühl und es kommen noch jede Menge Kurven.

Die Grands Goulets waren die ober Hammer Strecke der Region, bis dann der Tunnel gebohrt wurde und die eine der spektakulärsten Strecken ever für immer gesperrt wurden. Ist nichtmehr zu ändern, leider.

gorges de la bourne

Aber es gibt ja noch die Gorges de la Bourne. Wer diese Schlucht noch nicht gefahren ist, hat was wirklich besonderes verpasst. Anfangs noch ein weites Tal mit allerdings schon hohen Bergwänden rechts und links. In Verlaufe der Schlucht wird das Tal immer enger , bis zu einem Punkt wo man fast den Himmel nicht mehr sieht. Mit viel Fantasie und noch mehr Dynamit wurde die Strasse in den Fels gesprengt. Die Franzosen haben schon was drauf, eine tiefe Verbeugung vor diesen Strassenbau Künstlern …Chapeau.

In Lans-en-Vercors gibt es Cafés und eine gute Boulangerie. Zwei Croissants (nature) und zwei Pain au Chocolat lasse ich mir einpacken, da hab ich noch später was für unterwegs, denke ich mir. Die gute Frau fragt mich noch, ob es nicht etwas kalt zum Motorrad fahren wäre, ob ich dicke Handschuhe habe. Natürlich Madame 😉

Die ersten Sonnenstrahlen fallen nebenan auf die vom Raureif feuchten Tische, trotzdem setze ich mich draussen hin und geniesse den Cafe au Lait in den ersten warmen Sonnenstrahlen des beginnenden Tages. Was soll ich sagen, irgendwie schon peinlich, ich habe beide Croissants und Pains au Chocolat auf einmal gegessen. Wie kann man so verfressen sein … Jojo, Jojo. Aber was waren die Dinger auch so frisch und lecker. Papp satt sitze ich da und stelle mir die grundlegende Frage … warum soll ich weiterfahren. Philosophieren am Morgen.

Es ist der erste Mai, Tag der Arbeit auch in Frankreich und es gibt es besonderen Brauch hier. Überall werden kleine Maiglöckchen Sträusse verkauft. Vor vielen Geschäften und auch Tankstellen, halt wo Leute vorbeikommen, erhält man die Blumen.

Die deutsche Journalistin Hilke Maunder betreibt einen ausgezeichneten und prämierten Blog über Frankreich, welchen ich nur empfehlen kann - > Mein Frankreich. Sie beschreibt dort den Brauch mit den Maiglöckchen in Frankreich -> Der 1. Mai und das Maiglöckchen . Ich wiederhole mich in diesem Fall gerne, wirklich empfehlenswert, seht da mal rein.

Ich verlassse das Vercors und erreiche Grenoble nach der kurvenreichen Abfahrt, Die letzten Kurven vor der „geliebten“ Autobahn. Schlau wie ich nun mal bin, denk ich mir …Tank doch nochmal voll. Der Tank ist zwar noch zu einem Drittel gefüllt, aber viel hilft bekanntlich viel. Also die nächste Tanke beim Super U angesteuert, Kreditkarte raus und den Tank volllaufen lassen. Als ich auf die Preisanzeige schaue, denke ich noch, das ist aber billig, der Liter nur 0,74 Cent.

Ich habe ja schon über Leute gelacht, die Diesel in die BMW gekippt haben. Mea Culpa … Ich habe E85 getankt, also Bioethanol. Brennt das, kann man damit fahren? Kurz den Motor angemacht, läuft wie gehabt, aber es war ja auch noch Benzin im Tank. Also auf geht es, wird schon klappen. Einige Ampeln später fällt der etwas unrunde Leerlauf auf, aber sie geht nicht aus. Rauf auf die Autobahn und alle drei Schutzgöttinnen des Dreizylinders angefunkt. Das Motörle läuft ohne Probleme, allerdings pendelt sich die Verbrauchsanzeige bei 9 bis 10 Liter ein. Wenn das alles ist, gerne doch! Beim nächsten Tanken, ich habe genau aufgepasst was ich da mache, nein kein Diesel und kein Bioethanol, gutes E10 wird bis Oberkante Unterlippe eingefüllt. Erstaunlich was die Kiste so abkann. Kurz in Richtung Yamaha San verneigt und ab geht es.

 

Fazit:

War echt gut, so ein runder Geburtstag.

Und nächstes Jahr? Mit 66 Jahren fängt das Leben …